Von einer weitsichtigen Anästhesie-Chefärztin wurde im Jahr 1968 die Rettungsstelle im Suhler Klinikum aufgebaut: Am 1. November 2021 erhält sie mit Dr. med. Ramona König erstmals eine eigene Chefärztin.
Besprechungen mit ihrem Team, Einsätze als Notärztin, Akten am Schreibtisch und Behandlungen im Schockraum – mit der Chefärztin der größten Notaufnahme in Südthüringen über ihren Werdegang zu sprechen, ist gar nicht so einfach: „Ich komme gleich vorbei“, sagt sie am Telefon und legt auf. Im Hintergrund war ein Überwachungsmonitor zu hören. Notfallmedizin eben.
Schließlich kommt sie zum Gespräch, streicht sich die Haare aus dem Gesicht, atmet kurz durch, lächelt: „Guten Morgen.“
Seit Januar 2020 ist die 35jährige Fachärztin für Anästhesie, Intensivmedizin und Notfallmedizin bereits stellvertretende Leiterin von Südthüringens größter Notaufnahme. „Rudi Vonau als Leiter der Notaufnahme hat mich eingearbeitet. Er ist eine Instanz in der Notfallmedizin und im Rettungswesen in Südthüringen. Ich bin froh, dass er neben seinem Einsatz für den Rettungsdienstzweckverband eine feste Bank in unserer Notaufnahme bleibt. Etwa 30.000 Mal pro Jahr sind wir die erste Anlaufstelle für Notfälle aller Art“, erklärt sie. Die Krankheitsbilder dabei seien so vielfältig, dass selbst eine Auswahl schwerfalle. „Wir sehen Kinder, die Gegenstände verschluckt haben, Knochenbrüche, Nierensteine – aber auch akutes Herz-Kreislauf-Versagen, Schlaganfälle, Unfallopfer oder abgetrennte Gliedmaßen. Es gibt nichts, was es nicht gibt in unserem Alltag“, erläutert die Chefärztin.
Ramona König ist unter anderem in Oberhof zur Schule gegangen und hat ihr Abitur in Jena absolviert, wo sie danach studierte. Ihren Lebensmittelpunkt hat sie heute im Haseltal, wo sie die Zeit am liebsten draußen und noch lieber mit ihrem Sohn verbringt. Berührungspunkte mit dem Suhler Klinikum hatte sie von ehedem. Nach Stationen in Meiningen und Gotha interessierte sie sich schließlich 2020 für die in Suhl ausgeschriebene Stelle als stellvertretende Leiterin der Notaufnahme in der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin. Im Gepäck neben der medizinischen Fachausbildung auch die Fachkunde als Leitende Notärztin sowie Managerin für klinische Akut- und Notfallmedizin. „Als leidenschaftliche Notärztin und Intensivmedizinerin fand ich die Drehscheibe zwischen Rettungsdienst und Klinik immer am spannendsten und habe mich direkt nach der Facharztprüfung auf die Organisation von Notaufnahmen spezialisiert.“ Mit Fleiß, Weitblick, fachlichem Knowhow und dem nötigen Biss erarbeitete sich die Ärztin rasch einen festen Stand in ihrem Team und bei den Entscheidern im Klinikum und der SRH. Im September 2020 übernahm sie die Leitung der Notaufnahme. Nun das Amt der Chefärztin.
Notaufnahme als eigenständiger Bereich
Dass „ihre“ Notaufnahme ein eigenständiger Bereich wurde, ist dem wachsenden Aufgabenspektrum geschuldet: Massenanfälle von Verletzten (MANV), wie zuletzt im Jahr 2019 beim Massencrash auf der A71 und bei einem Schulbus-Unfall, die COVID-Pandemie und der geplante grundlegende Neubau der Notaufnahme in Suhl machen eine eigenständige Leitung nötig. Außerdem hat der Gemeinsame Bundesausschuss, das höchste Gremium im Deutschen Gesundheitswesen, eine Neuordnung der Notfallversorgung auf den Weg gebracht. Drei Stufen sind darin vorgesehen: die Basisstufe, eine erweiterte Notfallversorgung und die umfassende Notfallversorgung. Diese letzte, anspruchsvollste Stufe, erfüllen in Thüringen nur wenige Kliniken: Jena, Erfurt, Nordhausen, Gera und Suhl sind etwa darunter.
„Der Auftrag des G-BA ist wirklich umfangreich, um die beste Notfallversorgung rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr zu gewährleisten. Aber weg von allen Regularien geht es mir vor allem um unsere Patientinnen und Patienten: Ich möchte, dass sie sich jederzeit in unserer Suhler Notaufnahme sicher und gut behandelt fühlen“, sagt die Chefärztin und ergänzt: „auch, wenn die Wartezeit manchmal länger dauert.“
Damit es in der Notaufnahme fair und streng nach ärztlichen Leitlinien zugeht, habe man ein sogenanntes Triage-System eingeführt: speziell dafür ausgebildete Schwestern und Pfleger um Stationsleiter Philip Schüler übernehmen die Ersteinschätzung einer jeden Patientin und eines jeden Patienten, vom Säugling bis zum Hochbetagten. Je nach Symptomatik wird ein Zeitfenster für den Arztkontakt festgelegt und per Computersystem festgehalten. „So gehen wir sicher, dass wirklich schwer Betroffene rasche Hilfe erhalten: Auf der anderen Seite bedeutet es natürlich auch, dass manche Patienten etwas längere Wartezeiten in Kauf nehmen müssen“, schätz Dr. König ein. Ihr Team wisse, dass jeder Patient in der Notaufnahme seine Erkrankung als zeitkritischen Notfall begreife. „Wir können mit Fug und Recht sagen, dass es in Suhl keinen sichereren Platz als in unserem Wartezimmer gibt“, schmunzelt sie.
Neubau geplant
Die Notaufnahme im SRH Zentralklinikum Suhl ist seit ihrer Modernisierung im Jahr 2014 zweigeteilt: Auf der einen Seite gibt es einen eigenen Eingang für Rettungswagen und die Patienten, die sie bringen. Auf der anderen Seite, dem historischen Haupteingang des Klinikums, werden alle Patienten versorgt, die selbstständig die Notaufnahme erreichen. „Außerdem ist auf dieser Seite auch die kassenärztliche Notfallpraxis untergebracht. So kommt es, dass man im Wartezimmer von den eigentlichen Notfällen ganz wenig mitbekommt. Die Zweiteilung hat Vor- und Nachteile. Mit einem Neubau, den wir auf den Weg bringen wollen, soll unsere Notaufnahme ganz neu gedacht werden, um noch besser für unsere Patientinnen und Patienten da sein zu können.“ Geplant sind etwa ein großzügiger Anfahrtsbereich für Rettungswagen, eine eigene Aufnahme für infektiöse Erkrankungen (bspw. COVID), ein Notfall-CT direkt im Bereich, eine geräumige Aufnahmestation und generell eine Struktur, die den Abläufen in der Notfallmedizin noch besser gerecht wird. Die Signale aus dem zuständigen Ministerium für das Vorhaben sind durchaus positiv, sodass es zu Beginn des Jahres offiziell beantragt wurde. Für den Neubau stehen fast 20 Millionen Euro im Raum.
Historische Wurzeln: Rettungswesen seit 1968 im Klinikum
Innovativ in der Notfallmedizin war das Suhler Klinikum seit jeher. Vor über 50 Jahren wurde, von Frau Dr. Königs „Amtsvorgängerin“, Chefärztin Dr. med. Waltraud Helm, die erste Rettungsstelle des Bezirks gegründet. Damit einher ging vor allem eine inhaltliche Stärkung des Rettungswesens, wie alten Akten zu entnehmen ist: die Krankenwagen rückten nun mit medizinischer Ausstattung und mit einem Arzt an Bord aus – was davor keineswegs Gang und Gäbe war. Angesiedelt war die erste Rettungsstelle zwischen Wachstation und OP. Im neu erbauten Klinikum auf dem Döllberg wanderte die Rettungsstelle mit fünf Behandlungsräumen in die unmittelbare Nähe des damaligen Haupteingangs. Behandelt wurden Mitte bis Ende der Achtzigerjahre etwa 13.000 Patienten pro Jahr, heute mehr als 30.000. Seit ihrer Gründung wurde in der Suhler Notaufnahme grob überschlagen etwa 1 Million Menschen Hilfe zuteil.